Prof. Dr. Martin Schermaier

Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte, Universität Bonn

Prof. Dr. Martin SchermaierCurriculum Vitae

Martin Josef Schermaier studierte Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft und Publizistik an der Paris-Lodron-Universität Salzburg (1981-1988), schloss das rechtswissenschaftliche Studium 1985 ab (magister iuris) und wurde 1991 promoviert. Nach einem durch ein Humboldt-Stipendium geförderten Forschungsaufenthalt in Bonn (1993/94) folgte die Habilitation 1995 für die Fächer Römisches Recht, Deutsches Bürgerliches Recht und Juristische Dogmengeschichte. Von 1995 bis 1997 war er Dozent und Lehrbeauftragter in Salzburg und Regensburg, ehe er 1997 eine Lehrstuhlvertretung in Münster übernahm. 1998 erfolgte die Berufung auf den Lehrstuhl für Römisches und Bürgerliches Recht an der Universität Münster, 2005 die Berufung an den Lehrstuhl für Bürgerliches und Römisches Recht an der Universität Bonn.

Schermaier ist Direktor des Instituts für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte der Universität Bonn, Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaft und der Künste sowie, seit 2009, Mitherausgeber der Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Er arbeitet vor allem zu Fragen der kulturellen Prägung privatrechtlicher Figuren und Begriffe.

Von Oktober 2011 bis März 2012 war Martin Schermaier Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“.

 

Forschungsprojekt

Schuld und Verschulden im Zivilrecht des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Im Hochmittelalter entdeckt man die antiken römischen Quellen neu, die in der Kodifikation Justinians (Corpus iuris civilis) überliefert sind: Man versteht sie als Gesetz und Lehrbuch gleichermaßen und legt sie ab dem späten 11. Jahrhundert der juristischen Ausbildung zugrunde. Die darin überlieferten Institute werden fortgeschrieben und aus der Kasuistik der Quellen ein System des Privat- und Prozessrechts geformt. Gleichwohl führte man damit nicht einfach das antike Recht fort. Die römischen Texte werden dem zeitgenössischen Verständnis unterworfen, werden selbstverständlich an der modernen Moraltheologie, der gängigen Auffassung von richtig und falsch, gerecht und ungerecht gemessen. Das führt an wichtigen Knotenpunkten ebenso wie im Detail zu einer neuen (d.h. nicht dem antiken Verständnis folgenden) Deutung der Quellen: Das römische Recht wird als christlich-römisches Recht rekonstruiert. Besonders gut lässt sich das an Begriffen und Instituten zeigen, die auch in der Theologie eine Schlüsselrolle einnehmen: culpa, voluntas, consensus oder dominium.

Anhand des Begriffs der culpa (röm.: Zurechnung, Verschulden, christl.: Schuld) soll untersucht werden, in welchen Bereichen das neue Verständnis zu neuen rechtlichen Wertungen und Regeln führte. Voraussetzung dafür ist es, die moraltheologische Bedeutung von culpa herauszuarbeiten und so die Denk- und Argumentationsweise der hochmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Juristen zu rekonstruieren. An bestimmten Fällen der heute so genannten Gefährdungshaftung, der Garantiehaftung und der Haftung für Handlung Dritter lassen sich die Auswirkungen des christlichen Schuldverständnisses am besten zeigen. Sind die einschlägigen Quellen (aus dem 12.-15. Jahrhundert) gesichtet, lässt sich auch die bis in die Gegenwart reichende Wirkungsgeschichte der einschlägigen Figuren und damit wieder das Vorverständnis beschreiben, unter dem die römischen Quellen bislang gedeutet wurden. Möglicherweise lässt sich auf diese Weise ein doppeltes Ziel verwirklichen: Von der Beschreibung der „Christianisierung“ des römischen culpa-Begriffs aus lässt sich einerseits unsere bisherige Sicht des vorchristlichen culpa-Begriffs in Frage stellen, andererseits der moderne Verschuldensbegriffs kritisieren.
 

Publikationen (Auswahl)

  • Debet homo facere quod in se est? Vertragstreue und nachträgliche Leistungserschwerung zwischen Recht und Moral, in: Byoung Jo Choe (Hg.), Law, Peace and Justice: A Historical Survey, Seoul 2007, 191-237.
  • Res communes omnium: Philosophical Topos and Legal Term up to Grotius, in: Grotiana 30 (2009), 20-48.
  • Anachronistische Begriffe, oder: „Nichtrömisches“ im römischen Irrtumsrecht, in: P. Pichonnaz (ed.), Autour du droit des contrats. Contributions de droit romain en l’honneur de Felix Wubbe, Zürich/Basel 2009, 49-94.
  • Bonus pater familias, in: L. Winkel u.a. (Hg.), Ius Romanum, ius commune, ius hodi-ernum. Liber Amicorum Eltjo Schrage, Amsterdam 2010, 347-362.