Prof. Dr. Dieter Gosewinkel

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Freie Universität Berlin

Curriculum Vitae

Dieter Gosewinkel studierte Rechtswissenschaft und Geschichte an den Universitäten Freiburg im Breisgau und Genf. Nach dem juristischen Staatsexamen und einem Magisterabschluss in Neuerer Geschichte war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht der Universität Freiburg tätig. 1990 wurde er mit seiner Dissertation „Adolf Arndt. Die Wiederbegründung des Rechtsstaats aus dem Geist der Sozialdemokratie (1945 - 1961)“ im Fach Geschichte promoviert und war anschließend Wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin, wo er sich 2000 mit einer Arbeit zum Thema „Einbürgern und ausschließen. Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland“ (Göttingen 2001) im Fach Neuere Geschichte habilitierte. Seit 2002 war er Leiter der Forschungsgruppe „Zivilgesellschaft, Citizenship und politische Mobilisierung in Europa“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), wo er seit 2011 das Center for Global Constitutionalism (bis 2015: Rule of Law Center) leitet. Seit 2009 ist Dieter Gosewinkel außerplanmäßiger Professor an der Freien Universität Berlin. Unter anderem war er als Fellow des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt, des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft am St Antony’s College an der University of Oxford und des Institut d’Études Avancées de Paris tätig. Zuletzt war er professeur invité an der Université Paris 8 und chercheur invité am Centre canadien d’études allemandes et européennes an der Universität Montréal.

Nach seinem ersten Forschungsaufenthalt von Januar bis Juli 2016 war Professor Gosewinkel von Oktober 2016 bis Februar 2016 erneut Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“.

Forschungsprojekt

Die Herausforderung des Universalismus. Kritik der Menschenrechte als Teil der Rechtskultur

Menschenrechte haben nach 1945 weltweit den Siegeszug als überragender normativer Maßstab für den rechtlichen Schutz des Individuums angetreten. Der politische und rechtliche Geltungsanspruch der Menschenrechte ist zu einem globalen und hegemonialen geworden. Eben dieser tendenziell unbegrenzte und vorrangige Geltungsanspruch der Menschenrechte hat von jeher Gegnerschaft und Kritik erfahren, die die Entwicklung der Menschenrechte von ihrem Beginn an mitprägten und -bestimmten. Dieses intellektuelle und politische Gegenüber, der „Gegenbegriff“ (Koselleck), war immer gegenwärtig im Diskurs um Menschenrechte, selbst in seiner weltweit stärksten Aufschwungphase nach 1945. Um nicht nur die Genese, sondern auch die künftigen Entwicklungschancen der Menschenrechte in ihrer rechtlichen und politisch-ethischen Normativität zu verstehen, ist es notwendig, die Gegenseite, die Kritik der Menschenrechte, nicht als Gegenteil, sondern als elementaren Teil des Diskurses um Menschenrechte zu sehen. In diesem Forschungsprojekt geht es darum, die Historizität des Menschenrechtsdiskurses, d.h. seine historischen Bedingungen der Möglichkeit einschließlich seiner Grenzen und Gegenkräfte, ins Bewusstsein zu rücken. Es zielt darauf ab, das Terrain der Menschenrechtskritik als Forschungsfeld zu umreißen und zu vermessen, einerseits Kategorien der Menschenrechtskritik zu bilden, andererseits deren Argumente und Akteure am Beispiel und ausschnitthaft zu illustrieren. Der zeitliche Schwerpunkt wird auf der Phase nach 1945 liegen.

Publikationen (Auswahl)

  • Schutz und Freiheit? Staatsbürgerschaft in Europa im 20. und 21. Jahrhundert, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 2167, Berlin: Suhrkamp 2016.
  • Anti-liberal Europe. A Neglected Story of Europeanization, New German Historical Perspectives Vol. 6 (Hrsg.), New York/Oxford: Berghahn Books 2015.
  • "Naturaliser ou exclure? La nationalité en France et en Allemagne aux XIXe et XXe siècles - Une comparaison historique", in: Jus politicum - Revue de droit politique, No. 12, 2014,  S. 1-21.
  • Expropriation et politiques de population au XXe siècle, Revue d'histoire moderne et contemporaine, Vol. 61, No. 1 (Hrsg.), Paris: Éditions Belin 2014.
  • Wissenschaft, Politik, Verfassungsgericht. Aufsätze von Ernst-Wolfgang Böckenförde - Biographisches Interview von Dieter Gosewinkel (zus. mit Ernst-Wolfgang Böckenförde), Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 2006, Berlin: Suhrkamp 2011.
  • Politische Kultur im Wandel von Staatlichkeit, WZB-Jahrbuch 2007 (Hrsg. mit Gunnar Folke Schuppert), Berlin: edition sigma 2008.
  • Die Verfassungen in Europa 1789-1949. Wissenschaftliche Textedition unter Einschluß sämtlicher Änderungen und Ergänzungen sowie mit Dokumenten aus der englischen und amerikanischen Verfassungsgeschichte (Hrsg. mit Johannes Masing), München: Beck 2006.
  • Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur (Hrsg.), Frankfurt/M.: Klostermann 2005.
  • Zivilgesellschaft - national und transnational, WZB-Jahrbuch 2003 (Hrsg. mit Dieter Rucht, Wolfgang van den Daele, Jürgen Kocka) Berlin: edition sigma 2004.
  • Einbürgern und ausschließen. Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland, Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 150, 2. Auflage Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003.
  • Adolf Arndt. Die Wiederbegründung des Rechtsstaats aus dem Geist der Sozialdemokratie (1945 - 1961) [Diss. phil. Freiburg 1990], Reihe Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Band 25, Bonn: J.H.W. Dietz Nf. 1991.