Thematische Säule II

Recht und Globalisierung (Jahr 3)

Im Zuge einer mehrdimensionalen Globalisierung rücken auch die normativen Kulturen näher aneinander. Gleichzeitig aber ist auch ein Rückzug auf lokale, traditionale normative Ordnungen zu beobachten, die in ihren partikularen Tendenzen noch verschärft werden, wenn sie sich auf eine religiöse Geltungsgrundlage stellen. Recht besteht eben nicht allein Gemälde von Werner Gephart: SphärenreisenWerner Gephart: Sphärenreisen (2004)in der dünnen Luft des Juristenrechts und der Eigengesetzlichkeit juristischer Systeme, sondern im Austausch mit den kulturellen Grundlagen einer Gesellschaft. Sowohl die Hemmnisse einer - vielfach erwünschten - Universalisierung von Rechtsvorstellungen wie auch der Zugang zu den Eigenarten partikularer Rechtsbilder bleiben im Dunkel, wenn sie ausschließlich aus der juristischen Perspektive der quid-juris-Frage behandelt werden.


Es wäre eine wichtige Aufgabe des Kollegs, mit den Mitteln geisteswissenschaftlicher Forschung produktive Anschlussmöglichkeiten für ein komplexeres Verständnis der normativen Dimension des Globalisierungsprozesses zu gewinnen; hier ist ein gravierendes Defizit der gegenwärtigen Diskussion zu konstatieren. Der ausdifferenzierte Globalisierungsdiskurs nämlich, wie er von Wallerstein bis Giddens, von Albrow bis Luhmann und Beck und von Homi Bhaba bis Dipesh Chakrabarty stattfindet, hat nur wenige Auswirkungen in den Rechtswissenschaften entfaltet, auch wenn so ehrwürdige Fächer wie Rechtsvergleichung und Disziplinen des Internationalen Rechts gerade lokale und translokale normative Ordnungen begrifflich zu fassen gewohnt sind. Wenngleich über Globalisierung und Recht allenthalben geforscht wird, so verspricht die Konfrontation von fortgeschrittenen Theorien der Globalisierung bzw. der globalen Moderne mit den Fragestellungen transnationaler und lokaler normativer Ordnungen einen Gewinn für beide Wissenskulturen.


Hierbei gälte es, zwischen verschiedenen „Globalisierungsströmen“ von Recht zu unterscheiden - zivilrechtliche Fragestellungen mögen enger mit Entwicklungen der wirtschaftlichen Sphäre zusammenhängen, diejenigen des Öffentlichen Rechts sind nicht von der politischen Sphäre abzukoppeln, während strafrechtliche Problemstellungen eines internationalen Strafrechts divergente ‚consciences collectives' reflektieren. Gerade weil Recht traditionaler Weise vom Staat her als Träger einer Rechtsordnung gedacht wird, verweisen den Staat überschreitende Normsetzungskompetenzen zugleich auf Grenzen der staatlichen Sphäre. Insofern scheint es fruchtbar, gerade im Globalisierungskontext Recht als eine ‚Sphäre' zu begreifen, also etwa eine Art ‚judicio-scape' in Analogie zur Globalisierungsperspektive Appadurais zu bilden. Erst ein mehrdimensionaler Ansatz zum Verständnis von Globalisierungsprozessen bietet die Chance, den variablen Ort des Rechts in diesem komplexen Prozess zu bestimmen.