Projektvorstellung

Das Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ leistet einen geisteswissenschaftlichen und juristischen Beitrag zur Rechtsanalyse, der dem Tatbestand fortschreitender Globalisierung in einer zwischen Kulturen differenzierenden Weise Rechnung trägt. Hierbei reflektiert es unterschiedliche systematische Dimensionen von Recht als kulturellem Tatbestand – nämlich Symbolkulturen und Ritualdynamik, Normativität und normativer Pluralismus sowie Fragen der Rechtsgewalt und Organisationskultur.

In der ersten Förderphase (2010-2016) erwuchs aus diesem mehrdimensionalen Rechtsverständnis ein analytischer Zugriff, der Recht

  1. als einen komplexen Kulturtatbestand begreift,
  2. seine Verwobenheit mit der religiösen Sphäre ernst nimmt, dabei aber auch
  3. den veränderten Bedingungen von Recht im Kontext von Globalisierungsprozessen sowie
  4. dem hierdurch wachsenden Risiko von Rechtskulturkonflikten besondere Aufmerksamkeit schenkt und darüber hinaus
  5. den Spuren des Normativen im Reich der Ästhetik und ihren Wechselwirkungen nachgeht, um
  6. Antworten auf die Frage zu finden, in welcher Weise die Balancen zwischen partikularen Interessen und Rechtsvorstellungen einerseits und normativen Ordnungen mit grundsätzlich universalistischem Anspruch andererseits in der Gegenwart neu zu justieren sind – und inwieweit ‚Kultur‘ als Geltungsquelle oder Rechtsargument an Relevanz gewinnen kann, ohne dabei die Bindungskraft von Norm und Recht insgesamt zu gefährden.

In der zweiten Förderphase (2016-2022) widmet sich das Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ nun auf der Grundlage dieser Neuvermessung des Rechts in einem zweijährigen Rhythmus den Wechselwirkungen zwischen der juridischen und anderen gesellschaftlichen Sphären. Dabei steht zunächst das Verhältnis von Recht und Politik im Zentrum der Aufmerksamkeit, wie es u. a. in Verfassungen gerinnt. In einem zweiten Schritt werden die Beziehungen von Recht und Wirtschaft in den Blick genommen, also etwa die rechtskulturellen Bedingungen ökonomischen Handelns und die ökonomischen Grundlagen unterschiedlicher Rechtskulturen. In einem dritten Schritt widmet sich das Kolleg schließlich dem Verhältnis von Recht und Gemeinschaft, etwa unterschiedlichen Familien- und korrespondierenden Familienrechtskulturen sowie Fragen nach den Grenzen der Rechtsgemeinschaft und dem Verhältnis zum Recht der Anderen.

Dabei werden drei Querschnittsthematiken über die gesamte Laufzeit der zweiten Phase die Forschung orientieren: Eine erste Dimension bilden das innovative Konzept der Differenzierungskulturen und die rechtskulturvergleichende Anlage des Gesamtprogramms, auf deren Grundlage die Untersuchung der jeweils unterschiedlichen Wechselwirkungen zwischen dem Recht und anderen gesellschaftlichen Ordnungen in einen gesellschaftstheoretischen und komparativen Rahmen eingebettet werden, der die Beschränkungen einer rein okzidentalen Perspektive zu überwinden erlaubt. Eine zweite Querschnittsdimension stellen der Menschenrechtsdiskurs und Fragen individueller sowie feldspezifischer Autonomieansprüche dar. Die dritte Querschnittsdimension rückt die emotiven Grundlagen des Rechts sowie die elementare Frage der Rechtsbindung in den Blick.