Olivier Jouanjan (Paris/Bonn) in Verbindung mit dem Institut français: Geschichte der staatsrechtlichen Grundbegriffe in Deutschland und Frankreich: Grundlegungen zweier Kulturen des öffentlichen Rechts

Abstract

Herr Prof. Olivier Jouanjan geht in seinem Vortrag drei Gedankengängen nach. In einer methodisch-theoretischen Annäherung verdeutlicht er zunächst, dass „das Recht“ an und für sich nicht existiert. Erst der Diskurs über „das Recht“ und seine Unterteilungen (öffentliches Recht, Privatrecht, Völkerrecht etc.) machen es zu einem wissenschaftlichen Gegenstand. „Das“ Recht ist nichts Vorgegebenes, sondern bedarf einer diskursiven Konstruktion. Der zweite Teil des Vortrags widmet sich einer historisch-komparativen Ebene. Jedes „Recht“ behauptete sich in der modernen Zeit, trotz Europäisierung bzw. Internationalisierung, als nationales Recht. Jedoch wurde der Diskurs darüber, was „Recht“ ist, stets international bzw. europaweit geführt. So war der deutsch-französische Austausch um 1900 für beide Rechtskulturen – und insbesondere das öffentliche Recht – von größter Bedeutung. Im dritten Teil seines Vortrags wird Prof. Jouanjan skizzieren, dass sich die Konstruktion des modernen, deutschen Verwaltungsrechts durch Otto Mayer nicht als eine bloße Rezeption des französischen Verwaltungsrechts verstehen lässt, sondern vielmehr als Ausdruck einer Wechselwirkung zwischen den Postulaten einer deutschen Rechtswissenschaft und den Faktizitäten des damaligen französischen Verwaltungsrechts darstellt.

Curriculum Vitae

Prof. Dr. Olivier Jouanjan ist einer der bekanntesten Verfassungsrechtler Frankreichs. Er war an den Universitäten Burgund und Straßburg tätig, bevor er im Jahre 2014 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Université Panthéon-Assas (Paris II) übernahm. Seit 2004 ist er zudem Honorarprofessor an der Universität Freiburg im Breisgrau. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Öffentliche Recht im Allgemeinen, über dies wird er als Kenner des deutschen Verfassungsrechts auch in Deutschland geschätzt. Rechtstheorie und juristische Methodenlehre sowie die Geschichte des juristischen Denkens gehören zu seinen weiteren Forschungsschwerpunkten. Aufgrund seiner Kenntnisse des deutschen Rechts gilt er als wichtiger Mittler zwischen der deutschen und französischen Rechtslehre. Diese Mittlerrolle fand 2007 mit dem Humboldt-Forschungspreis für ausländische Geisteswissenschaftler eine besondere Anerkennung. Im Jahre 2010 wurde er in die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer aufgenommen. Nach einem ersten Forschungsaufenthalt von Mai bis September 2017 ist Prof. Dr. Jouanjan seit Februar 2018 erneut Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“, Bonn.