Werner Gephart (Bonn): Einführungsvortrag "Wirtschaft und Recht nach der kulturwissenschaftlichen Auffassung"

Abstract

Der Vortragstitel macht eine nicht völlig unprätentiöse Anspielung auf die Arbeit von Rudolf Stammler, der seinerzeit von der „materialistischen Geschichtsauffassung“ geredet hatte. Webers vernichtende Kritik Stammlers, der alle nur denkbaren Kategorienfehler dieser Welt auf einmal beging, angesichts der Weber sich in den unveröffentlichten Marginalien zu Stammlers Buch selbst noch einmal an Schärfe und intellektueller Abscheu übertrifft, diese Kritik hat in der Schreibökonomie Webers wohl eine wichtige Rolle gespielt, aber: zu einer Korrektur im Sinne einer Ersetzung durch die von Weber favorisierte „kulturwissenschaftliche“ Anschauung ist es in systematischer Weise, wie ich meine, doch gar nicht gekommen. Sicher lässt sich die Protestantismusstudie als ein Beispiel einer kulturwissenschaftlichen Analyse wirtschaftlichen Handelns, seiner Handlungsantriebe und der Strukturen interpretieren, in denen eine Kultur des Kapitalismus, nämlich als „Geist“ des Kapitalismus entsteht, die auf unbeabsichtigten Nebenfolgen religiösen Handelns beruht. Nur fehlt der Protestantismusstudie der Blick aufs Recht – und in den Studien zum Recht, die einmal als „Rechtssoziologie“ rezipiert wurden und nunmehr in der historisch-kritischen Edition als „Recht“ ediert sind, ist der Bezug des Rechts zu den wirtschaftlichen Ordnungen nur schwach ausgebildet, obwohl dieses Kapitel von „Wirtschaft und Gesellschaft“ einmal als Anti-Stammler angelegt war. Dies kann man in MWG I/22-3 nachlesen, wer sich denn die Mühe machen will, sich durch diesen Editionsdschungel des Collagenwerks hindurch zu kämpfen. 

Der Vortrag wird zunächst an diese Kontroverse zwischen Weber und Stammler erinnern, um zu sehen, welche Forschungsfragen sich aus dieser Auseinandersetzung gewinnen lassen, die in der rein methodologischen Auseinandersetzung untergegangen sind (1). Sodann sollen einige Überlegungen dazu angeschlossen werden, wie man Recht und Wirtschaft als kulturwissenschaftlich greifbare Phänomene analysieren kann (2), um schließlich zu sehen, wie sich die beliebte Formel – wenn nicht: Kampfparole – „Culture Matters“ auf den „Kampf ums Recht“ anwenden lässt (3)

Prof. Dr. jur. Dr. h.c. Werner Gephart

Curriculum Vitae

Professor Dr. jur. Dr. h.c Werner Gephart ist   Soziologe, Rechtswissenschaftler und Künstler. Er ist Professor für Soziologie an der Universität Bonn und Gründungsdirektor des Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ – Internationales Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung – sowie Herausgeber der historisch kritischen Ausgabe von Max Webers Schriften zum Recht (MWG I/22-3). Neben der Veröffentlichung zahlreicher Publikationen und seiner jahrelangen Lehrtätigkeiten, wurden seit 1988 seine künstlerischen Arbeiten regelmäßig ausgestellt, unter anderem in Paris, Düsseldorf, Köln, Bonn, St. Louis, Houston, Bloomington, Minneapolis, Tunis, New York, Neu Delhi sowie jüngst in London an der Dickson Poon School of Law des King’s College.