Maske - Kunst der Verwandlung

Podiumsrunde zur Ausstellung im Kunstmuseum Bonn

Moderation: Werner Gephart

Das Rätsel der Maske lässt sich nur auflösen, wenn wir das Rätsel des Gesichts verstanden haben. Das Gesicht ist nicht eine rein physiognomische, physiologische Erscheinung, sondern sie weist viele Aspekte auf:

Das Gesicht ist der Mode unterworfen. Wir kennen Gesichtsmoden: Schauen Sie nur auf die Abfolge von klassisch symmetrischen idealen Gesichtern, ihren faschistischen Rezeptoren, und ihrer Wiederkehr in den Reklamen der Herrenparfüms und Frauengesichtern, androgynen und queeren Erscheinungsformen, die schon Goethe in seiner Mignon-Gestalt thematisiert hatte. So scheint es Gesichtskulturen zu geben, in denen die Darstellung des Gesichts eine besondere Aufmerksamkeit erfährt und sich – wie Belting gezeigt hat – im Westen jedenfalls im Porträt verdichtet. Georg Simmel wüsste dafür eine Erklärung anzugeben, die bei Belting verloren gegangen ist, die sich aus dem Verhältnis von Körper und Gesicht ergibt. In einer Kultur, in der die Unbekleidetheit perhorresziert ist, kann sich das Einzigartige des Menschen eben nicht in seinem Körper ausdrücken (der Tätowierungskult wirkt dem entgegen), sondern sucht sich eine andere Ausdrucksfläche: das Gesicht. So scheint das Gesicht – in der okzidentalen Kultur, in der kein Bildverbot des menschlichen Antlitzes gilt – als der individuellste Ausdruck des Menschen. Die Medien der Repräsentation und der Vergrößerung im Film lassen ihm noch einmal eine ungeheure Eigenbedeutung zuwachsen, so dass wir den Starkult der Kulturindustrie nicht ohne den Kult des Bildes verstehen können, der die Wiedergabe der Einzigartigkeit des schauspielenden Ichs hinter dem Rollengesicht in „Casablanca“ usf. uns suggeriert. Schönheitschirurgie, die eine Anpassung des realen an das ideale Gesichtsformat verspricht, ist die Körpertechnik, mit der eine Versöhnung der elenden Realität der individuellen Hässlichkeit an das Ideal der jeweilig geltenden Schönheitskultur erreicht werden soll. Die Gesichtstransplantation geht weiter: Sie überzieht die nach einem Unfall verbleibenden Gewebe mit einer neuen Haut und gestaltet sie zu einem neuen Gesicht. Das durch seine Beweglichkeit bestimmte Gesicht – der Schauspieler muss jede Mimik als Bewegung auf der Oberfläche des Gesichts als s e i n e s  theatralischen Raumes inszenieren – wird in seiner Beweglichkeit erst eingefroren, wenn es nicht mehr „lebendig“ ist, also gestorben ist. Dieses finden wir dann in der Totenmaske wieder, die als Abguss vom Leichnam genommen wird: nicht von seiner Hand oder seinen sonstigen Körperteilen, sondern von seinem nunmehr zur Maske erstarrten Gesicht!

Was also ist die Maske? Warum sollten wir sie als ästhetische Kategorie fassen? Worin liegt ihre Faszination? Wie löst sich das Rätsel der Maske auf, hinter dem die persona erscheint, aus der „Persönlichkeit“, gar Einzigartigkeit hervorgehen soll?  Wie vollzieht sich die Metamorphose von einer anthropologischen Grundfigur der condition humaine zu einer juristischen Kategorie?

Kein Wunder, dass sich Anthropologen, Sozialwissenschaftler und Kunstwissenschaftler an diesem Thema abgearbeitet haben: von Marcel Mauss bis Didi-Huberman, Ernst Gombrich bis Jean Luc Nancy, Helmut Plessner und Erving Goffman.

Aus Anlass der Maskenausstellung hat sich nun eine kleine Runde von Experten zusammengefunden, die einige der angeschnittenen Fragen mit Ihnen im Kunstmuseum diskutieren möchte:

Richard Weihe: Das Spiel mit der Maske

Richard Weihe ist Theaterwissenschaftler, Literaturwissenschaftler und Philosoph und Professor für Theorie und Praxis des Theaters an der Accademia Teatro, Dimitri/SUPSI in Verscio, Tessin. Er ist vor allem für seine biografischen Werke von Künstlern bekannt und nicht zuletzt für sein grundlegendes Werk zur Thematik: „Die Paradoxie der Maske. Geschichte einer Form“ München 2004.

Barbara J. Scheuermann: Behind the mask another mask. Rollenspiele in der Kunst der Moderne und Gegenwart

Barbara J. Scheuermann ist promovierte Kunsthistorikerin, Kuratorin für Gegenwartskunst und Autorin. Seit 2016 ist sie Leiterin der Graphischen Sammlung und Ausstellungskuratorin am Kunstmuseum Bonn. Als Kuratorin kennt sie „ihre“ Ausstellung sicherlich am besten und wird uns über die Konzeption dieser Ausstellung aufklären.

Helga Lell: Persona, Mask, a Metaphor in Argentina's Legal System

Helga Lell ist Rechts- und Sozialwissenschaftlerin und derzeit Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“. Darüber hinaus ist sie Forscherin und Professorin an der National University of La Pampa, Argentinien. 

Werner Gephart: Masken, Spiegel und die Metamorphosen des Rechts

Werner Gephart ist Jurist, Kulturwissenschaftler und Künstler sowie Co-Direktor (Gründungsdirektor) des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“. Seine künstlerischen Arbeiten wurden in Düsseldorf, Köln, Bonn, Oldenburg, Paris, New York, Bloomington, Trier, Tunis, New Delhi und zuletzt am King’s College London im Rahmen der Ausstellung “Some Colours of the Law” präsentiert. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Art and Law“ bei Brill und des mit Jure Leko herausgegebenen Sammelbands „Law and the Arts – Elective Affinities and Relationships of Tension“, Frankfurt am Main, 2017, Band 18 der Schriftenreihe „Recht als Kultur“.

Bitte beachten Sie auch die Einladung.