Max Weber-Gesamtausgabe I/22,3: „Recht“

(Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband 3. Herausgegeben von Werner Gephart und Siegfried Hermes, Tübingen: Mohr Siebeck 2011)

 

Max Weber-Gesamtausgabe I/22,3: Wirtschaft und Gesellschaft.

In diesem Band werden zwei zum Grundrissbeitrag Webers gehörige Manuskripte editorisch aufbereitet, die der rechtlichen Sphäre gewidmet sind: ein als "Die Wirtschaft und die Ordnungen" überschriebener Text sowie ein nicht betiteltes längeres Textkonvolut, das als sog. "Rechtssoziologie" überliefert ist. Beide Texte stehen in einem genetischen Zusammenhang, der einerseits "Wirtschaft und Recht" in seinem "prinzipiellen Verhältnis" sowie die "Epochen der Entwicklung des heutigen Zustandes", ausweislich des Stoffverteilungsplanes, behandeln soll. Eine Archäologie dieser Textbefunde fördert Tiefenschichten zutage, die nunmehr erstmals lesbar werden und für die umstrittene Textdeutung relevant sind. Weber löst sich aus einem juridischen Zentrismus der normativen Welt und entwirft eine Art "weltrechtsgeschichtliche" Deutung im kulturvergleichenden Sinne, die ihn heute für eine Debatte über den Zusammenhang von Globalisierung und Rechtsanalyse besonders aktuell erscheinen lässt. Denn mit dem Text "Die Wirtschaft und die Ordnungen" hat Weber längst die Idee eines "Legal Pluralism" antizipiert, der die Vielfalt der normativen Ordnungen betont, und andererseits ist mit dem Ausscheren aus dem okzidentalen Entwicklungspfad des Rechts in die "Entwicklungsbedingungen des Rechts" der Erkenntnishorizont für andere Rechtskulturen, ihre Interferenzen und Hybridisierungen geöffnet, für die uns heute die Kategorien noch durchaus zu fehlen scheinen. Umso bemerkenswerter ist Webers Entwurf, der auf der Grundlage der edierten Texte eine neue Rezeption ermöglichen wird, aus einer Vielzahl verzweigtester Rechtsgeschichten eine große, alles bündelnde Metaerzählung über den juridischen Rationalismus im Okzident zu verfassen, die sich nur in universalhistorischer Perspektive und mit Blick auf die Weltkulturen des Rechts erzählen lässt.

Prof. Dr. jur. Werner Gephart ist Professor für Soziologie an der Universität Bonn und ist seit der Gründung des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“ im Jahr 2010 als dessen Direktor tätig.

Dr. Siegfried Hermes war Mitarbeiter in der Redaktion der MWG und arbeitet gegenwärtig im Wissenschaftsmanagement.

Rezensionen:

“Das Wunder der Rationalität” von Stefan Breuer

”Max Weber’s legal thinking: Why read his Recht” von Christopher Adair-Toteff

Rezension von Helmut Goerlich (PDF)

La « sociologie du droit » de Max Weber à la lumière de l’édition critique de la Max Weber Gesamtausgabe von François Chazel