Recht als Kultur

Geisteswissenschaftliche Fragestellungen (Jahr 1)

Mit dem ‚cultural turn’ der Rechtsbetrachtung wird eine Dimension fokussiert, die in den Debatten um die Steuerungsleistungen des Rechts, die Alternativen zum Recht, die Differenz des Volksrechts zum Juristenrecht vergessen wurde, obwohl sie der rechtsgeschichtlichen Forschung einmal sehr bewusst war. In einer uns fremd gewordenen Sprache heißt es etwa bei Jacob Grimm: „Es ist eine unbefriedigende Gemälde von Werner Gephart: Recht als KulturWerner Gephart: Recht als Kultur. Dukheim, Mauss, Fauconnet (1998)Ansicht, welche in solchen Symbolen blosze leere Erfindung zum Behuf der gerichtlichen Form und Feierlichkeit erblickt. Im Gegentheil hat jedes derselben gewisz seine dunkle, heilige und historische Bedeutung; mangelte diese, so würde der allgemeine Glaube daran und seine herkömmliche Verständlichkeit fehlen.“ Symbole und Rituale treten neben den imperativen Befolgungsanspruch des Rechts, der durch einen Erzwingungsstab garantiert wird. Und diese einerseits vergessene und in der Praxis von Unrechtsstaaten pervertierte Rolle der Symbole und Rituale des Rechts gilt es für ein Verständnis des Rechts wiederzugewinnen, gerade wo die eindeutigen Sanktionsmechanismen nicht greifen, der Rechtsglaube selbst affiziert und die Flucht in außerrechtliche Formen der Konfliktlösung angetreten wird.

Es wäre eine wichtige und grundlegende Aufgabe des Kollegs, diese kulturelle Dimension des Rechts im Lichte unterschiedlicher Referenzdisziplinen zu diskutieren: das verlorene Erbe einer Kultursoziologie des Rechts bei Durkheim und Weber zu mobilisieren, die Illusion der „bloszen leeren Erfindung“ auch im Recht der Gegenwart zu brechen, um schließlich nicht nur die rituellen und symbolischen Geltungsgarantien des Rechts zu entdecken, sondern auch ihr dissoziierendes, nämlich ein die Rechtskulturen auseinander treibendes Potenzial dingfest zu machen. Wenn wir uns in einem unaufhaltsamen Prozess der Globalisierung befinden, dann wächst ja gerade dem Recht sowohl ein integrativer Anspruch zu als auch eine konflikterweiternde Macht. Eine erste Forschungsrunde des Kollegs wird sich dieser Fragestellung zuwenden. Sie soll auf drei Forschungsbereiche zentriert sein, die sowohl synchron wie diachron zum Vergleich nationaler und sich herausbildender globaler Rechtskulturen geeignet erscheinen und als Querschnittsdimensionen das gesamte Kolleg begleiten werden: Rechtssymbolik und Ritualdynamik, Juridische Normativität und normativer Pluralismus sowie Rechtsgewalt und Organisationskulturen.