Prof. Dr. Markus Gabriel

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Markus GabrielMarkus GabrielMarkus Gabriel

 

Curriculum Vitae

Markus Gabriel studierte Philosophie, Klassische Philologie und Germanistik an den Universitäten Hagen, Bonn, Heidelberg und Lissabon. Für seine 2005 eingereichte Dissertation über die Spätphilosophie Schellings erhielt er den Ruprecht-Karls-Preis der Universität Heidelberg. Nach seiner Habilitation 2008 in Heidelberg über „Skeptizismus und Idealismus in der Antike“ lehrte Gabriel zunächst als Assistant Professor (Tenure-Track) am Department of Philosophy der New School for Social Research in New York. Mit nur 29 Jahren und damit als jüngster Philosophieprofessor Deutschlands wurde er im Juli 2009 auf den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie, Philosophie der Neuzeit und Gegenwart an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn berufen. Darüber hinaus war Gabriel als Gastprofessor an zahlreichen internationalen Hochschulen tätig, so in Neapel, Florenz, Toulouse, Lissabon und Fortaleza. Seit 2012 ist er Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie der Universität Bonn.

Gabriels Forschungsinteressen liegen insbesondere im Bereich der Erkenntnistheorie, Metaphysik, Religionsphilosophie und Ästhetik.

Von April 2011 bis März 2012 war Markus Gabriel Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“, anschließend war er bis September 2013 stellvertretender Direktor des Kollegs.

Forschungsprojekt

Nicht-normative Voraussetzungen von Normativität

Es ist in der gegenwärtigen Landschaft der philosophischen Theorie der Normativität üblich geworden, den Rechtsbegriff an den Begriff der Autonomie zu binden. Rechtsfähige Subjekte werden als solche Subjekte aufgefaßt, die sich an ihrer eigenen Normativität orientieren können. Normativität ist selbst eine Norm, der man sich selbst unterstellen kann. In dieser Diskussion kommen offensichtlich Kantische Denkfiguren zur Anwendung. Allerdings haben bereits Hegel und Marx gegen dieses Modell eingewandt, daß es konstitutive Grenzen der Normativität gibt, die sich historisch in der Verschränkung von Recht und Gewalt artikulieren. Insbesondere ergibt sich für Kant ein berühmtes Paradoxon: Wenn wir erst durch die Orientierung an Normativität autonom werden, dann ist die Entscheidung für Normativität, d.h. die Konstitution von Subjekten selbst nicht normativ. Damit ergibt sich für Kant (und seine gegenwärtigen Anhänger) das alte Hobbessche Problem eines Übergangs aus einem Naturzustand in eine normative Ordnung. 

In meinem Projekt entwickle ich dagegen zunächst eine dialektische Theorie der Normativität. Dies bedeutet, daß ich davon ausgehe, daß schon normativ verfaßte Subjekte retroaktiv die Annahme erzeugen, sie seien aus einem nicht-normativen Zustand in die Normativität übergegangen. Diese Annahme ist aber paradox. In meinen Augen reagiert der Rechtsbegriff genau auf diese Paradoxie, indem er suggeriert, daß ursprünglich heteronome Subjekte zu autonomen Subjekten werden sollen und daß diese Bindung nur durch disziplinarische Maßnahmen sichergestellt werden kann. 

Allerdings ist diese Funktion des Rechtsbegriff keineswegs notwendig und alternativlos. Wie mögliche Alternativen aussehen, arbeite ich im zweiten Teil meines Projekts durch eine vergleichende, transkulture Analyse der Darstellung des "Kantischen Paradoxons" heraus. Dabei wird einerseits John Fords berühmter und von Normativitätstheoretikern vielfach diskutierter Western "The Man who Shot Liberty Valance" (1962) und andererseits der erfolgreichste indische Gerichtsfilm aller Zeiten,  "Awaara" (1951) von Raj Kappor ausgelegt. Es stellt sich heraus, daß das Kantische Paradoxon kulturspezifisch anders ausgewertet und gelöst wird. Mit dieser Beobachtung legt sich eine Historisierung und Kontextualisierung der Normativität nahe, die in einer rein Kantischen Perspektive unmöglich ist, so daß der Übergang von Kant zu Hegel substantieller über Kant hinausführt, als dies bisher gesehen wurde. Insbesondere stellt sich der Rechtsbegriff als Begriff einer nicht-normativen Voraussetzung ethischer Normativität voraus. Das Recht ist in diesem Sinne blind und ermöglich gleichwohl die Orientierung in einer durch es nachträglich hervorgebrachten normativen Ordnung.

 

Publikationen (Auswahl)

  • Warum es die Welt nicht gibt, Ullstein Verlag: Berlin 2013
  • Die Erkenntnis der Welt - Eine Einführung in die Erkenntnistheorie, Freiburg/München: Verlag Karl Alber 2012
  • Transcendental Ontology: Essays on German Idealism, New York/London: Continuum 2011
  • Zusammen mit Slavoj Zizek: Mythology, Madness, and Laughter: Subjectivity in German Idealism. Continuum: New York/London 2009
  • Skeptizismus und Idealismus in der Antike. Suhrkamp: Frankfurt/Main 2009
  • Antike und moderne Skepsis zur Einführung. Junius: Hamburg 2008  [Rezension von Kay Ziegenbalg in: Die Berliner Kulturkritik, 5.6.2009.]
  • An den Grenzen der Erkenntnistheorie - Die notwendige Endlichkeit des Wissens als Lektion des Skeptizismus. Alber: Freiburg/München 2008