W. Gephart: „Rechtskultur als kultursoziologischer Begriff und analytisches Programm“

Auf dem Soziologentag in Bamberg wird Werner Gephart in der Sektion Kultursoziologie, die sich dem Thema „Rechtskulturen“ widmet, über: „Rechtskultur als kultursoziologischer Begriff und analytisches Programm“ sprechen.

Dem scheinbar vagen Begriff der „Rechtkultur“, so wie er in Rechtswissenschaften und vergleichender Rechtsforschung mitunter verwendet wird, lässt sich durchaus ein präziser kultursoziologischer Sinn geben. Dies setzt voraus, Recht als ein Kulturphänomen wiederzuentdecken. Sobald nämlich die kulturelle Dimension des Rechts über symbolische Dynamiken und Ritualeffekte normativer Ordnungen (à la Durkheim) eingefangen wird, erschließt sich ein neuer Blick auf das Recht: Identitätsstiftung sowie kollektive Erinnerung treten neben eine friedenssichernde und integrative Funktion des Rechts, die sich in einer „force du droit“ (Bourdieu) verdichtet. Zugleich werden die Grenzen eines okzidental geprägten Rechtsbegriffs porös, der sich in seiner Kraft zur Ingeltungsetzung seiner normativen Ordnungen, seiner „deontic power“ (Searle), erschöpft.

Diesen Kräften des Rechts in synchronischer und diachronischer Richtung nachzugehen, erlaubt ein Verständnis von „Rechtskultur“, das zugleich ein Forschungsprojekt ankündigt, welches – im Sinne Daniel Defoes – prinzipiell unabschließbar ist. In Webers Beschreibung des Meers unendlicher Rechtsgeschichten (MWG I/22-3) tauchen jedenfalls immer wieder Inseln auf, die man als rechtskulturelle Verdichtungen normativer Ordnungen begreifen kann. Eben diese Metaphorik, die angesichts der Unsichtbarkeit bei gleichzeitiger Ubiquität des Rechts auftritt, fordert kultursoziologische Aufklärungsarbeit heraus.