Der Flaneur als soziologische Figur der Moderne

Die Veranstaltung „Der Flaneur als soziologische Figur der Moderne“ ist eingebettet in die Finissage der Ausstellung „Der Flaneur. Vom Impressionismus bis zur Gegenwart“ des Kunstmuseums Bonn. Die Ausstellung thematisiert in eindrucksvoller Weise die unterschiedlichen Facetten des Flaneurs und den Wandel dieser besonderen Figur der Moderne seit dem 19. Jahrhundert. Sein Habitus (im Sinne Pierre Bourdieus) und sein gelangweilter Bewegungsmodus, der ihn nach Benjamin gegen den Produktionsprozess protestieren lässt, machen ihn zum idealen Beobachter der Großstadt, die sein Wirkungsfeld ist und zugleich die Bedingungen des Bewegens in einem Raum der Öffentlichkeit definiert. Bilder der Großstadt, wie sie vom Impressionismus, Futurismus und Expressionismus gefeiert wurden, können daher an dieser Figur nicht vorbeigehen. Aber gelingt es uns über ein nostalgisches Sujet, das durch Baudelaire, Benjamin oder Simmel veredelt wurde, hinauszugelangen? Was sind denn die kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen des Flanierens? Braucht man eine Gentry als Vorbild (wie die Urgestalt des Dandy Brummel) oder eine leisure class um die Sozialfigur des Flaneurs hervorzubringen? Flaniert man in Kairo und im Kyoto der Tokugawa-Zeit auf dieselbe Manier? Was bedeutet es, dass man schon immer glaubte, in Bewegung besonders klar denken zu können – daher die Verbreitung des Diskurses (abgeleitet vom lat. dis-currere)? Sind der Vagabund und Wandersbursche oder der Spaziergänger von Sanssouci mit denselben Kräften wie der Flaneur ausgestattet? Und warum müssen das eigentlich immer nur Herren sein, während die flanierenden Damen, wie in den Straßenbildern von Kirchner, nichts anderes als Kokotten zu sein vermochten? Damit wollen sich „Flaneusen“ heute nicht mehr verwechselt sehen.

Als Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ wollen wir uns vor diesem Hintergrund im Rahmen einer Podiumsrunde der Figur des Flaneurs aus soziologischer Sicht widmen und auf diese Weise einen Beitrag zum Verständnis der Ausstellung und der darüber hinausgehenden Thematik liefern.

Der Ablauf der Veranstaltung ist wie folgt geplant:

Begrüßung durch den Direktor des Kunstmuseums Bonn, Prof. Dr. Stephan Berg

Werner Gephart:
Der Flaneur als soziologische Figur der Moderne

Daniel Witte:
Der Flaneur: Gesellschaftstheoretische Impressionen zu einer (sich) wandelnden Sozialfigur

Clemens Albrecht:
Flaneure, Spaziergänger, Vagabunden, Wandersburschen: Sozialtypen in Bewegung

Anne-Marie Bonnet:
Die Frau als 'Flaneur'

Schlussrunde:
Das Ende des Flanierens?

Werner Gephart ist Co-Direktor (Gründungsdirektor des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“) und als Jurist, Kulturwissenschaftler und Künstler seit vielen Jahren mit dem Sujet befasst (siehe Stadt und Kultur, 1991; Bilder der Großstadt, 1998; Recht als Kultur, 2006; Some Colours of the Law, 2017).

Clemens Abrecht ist Co-Direktor des Kollegs und ausgewiesener Kenner der französischen Salonkultur des 19. Jahrhunderts, sowie als ein führender Kultursoziologe in Deutschland mit den Sozialtypen in Bewegung bestens vertraut.

Daniel Witte, Wissenschaftlicher Koordinator am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“, ist Kenner des champ intellectuel in Frankreich und befasst sich seit vielen Jahren mit der Frage, warum lebensweltliche Praktiken wie das Flanieren nicht unabhängig von abstrakten gesellschaftstheoretischen Überlegungen zu deuten sind.  

Anne-Marie Bonnet, Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ und Professorin am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn, ist als Kunsthistorikerin durch ihre Arbeiten zu Albrecht Dürer und seiner Zeit ebenso in besonderer Weise ausgewiesen, wie für die französische Moderne des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt durch ihre Arbeiten zu Rodin, in denen Georg Simmel gerade das Bewegungsmotiv fasziniert hatte.